(Besetzung; 03-03; S.4)
Die Versicherheitlichung von Politik?
Für Politologen ist die Frage nach Formen der
Machtausübung und ihrer Rechtfertigung zentral. Dazu werden verschiedene
Ansätze verwendet. Insbesondere der Ansatz der so genannten Kopenhagener
Schule ist hilfreich zur Erklärung der derzeitigen unterschiedlichen
Entwicklungen in den USA und mindestens Deutschlands (vgl. zum
Folgenden: Buzan, B., Wæver, O. und de Wilde, J.: Security: a
new framework for analysis. Boulder (Colorado) und London 1998).
Die Hauptleistung dieses Ansatzes ist die Unterscheidung
zwischen Themen, die "politisch" und Themen, die "versicherheitlicht"
bearbeitet werden - im englischsprachigen Original wird zwischen
"politicisation" und "securitisation" unterschieden;
es geht also um Kommunikationsprozesse im Bereich der Sicherheitspolitik.
"Versicherheitlichung" kann demnach
als ein spezifischer Kommunikationsprozess definiert werden:
• ein Thema wird als existenzielle Bedrohung dargestellt, die
es erlaubt, mit anderen innerhalb eines Sicherheitskomplexes vorhandenen
Akteuren vereinbarte Regeln zu brechen;
• ein signifikantes Publikum akzeptiert das Thema als existenzielle
Bedrohung und außerordentliche Maßnahmen, um diese aufzulösen;
• das Thema wird so aus dem üblichen politischen Prozess - der
regelachtenden, Wahlmöglichkeiten erlaubenden und an Argumenten
ausgerichteten Bearbeitung - heraus gehoben in den Bereich der
"Sicherheit" (vgl. ebd., S. 25f.).
Eine so vollzogene Analyse beleuchtet daher
weniger realpolitische Machtbalancen als die Formung und das Akzeptieren
von Wahrnehmungen im Bereich der Sicherheitspolitik (vgl. ebd.).
Betrachtet man im Hinblick auf den Irak-Krieg
die Kommunikationsprozesse in Deutschland, so kann klar festgestellt
werden, dass es weder ausländischen noch - sofern diese so etwas
überhaupt wollten - inländischen Politikern und Medienvertretern
gelungen ist, es zum "Sicherheitsthema" zu machen.
Das Gegenteil ist für die USA zu befürchten:
sowohl die Kriegserklärung des Präsidenten wie auch die Vorkriegsverlautbarungen
der Bush-Unterstützer präsentierten das Thema als Bedrohung für
die nationale Sicherheit, die selbst den Bruch internationaler
Abkommen, Verträge und einen Verstoß - so jedenfalls die Argumentation
anerkannter Völkerrechtler - gegen das zwingende Recht der Charta
der Vereinten Nationen erlaubte.
Die Aktivitäten zumindest mancher Medienvertreter standen den
Wünschen der Bush-Unterstützer jedenfalls nicht im Wege, wenn
auch festgehalten werden muss, dass eine "Fernanalyse"
immer nur Hinweise liefern kann und kein vollständiges Bild liefert.
Zu hoffen bleibt, dass es den Bush-Unterstützern nicht weiter
gelingt, politische Themen als Sicherheitsthemen zu präsentieren.
(Ende des Artikels)