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geändert / updated: 17/04/08

 

 ... unabhängige Analysen für die globale Polis ...

(Gebildet; 05-03; S.4)

Funktionalitäten

Der eben geschilderte Zusammenhang galt für das letzte Jahrhundert.
Es gibt allerdings Anzeichen dafür, dass sich die einmal erarbeitete Qualifikation nurmehr für einen Berufseinstieg eignen wird: zunehmend wird verlangt, sich während des gesamten Erwerbslebens weiter zu bilden. Die damit verbundenen gesellschaftlichen Verwerfungen haben die Pädagogen Karlheinz A. Geißler und Erich Ribolits auf den Punkt gebracht.

K. A. Geißler verurteilt das von der EU offenbar präferierte Konzept der "employability" (vgl. zum Folgenden: Geißler, K. A.: "Employability - das Bildungskonzept für die Ich-AG" in: Frankfurter Rundschau Nr. 90 vom 16.04.03, D2-Ausgabe, S. WB 6).
Nach diesem soll es nicht länger um Berufsausbildungen in beschriebener Form gehen, sondern um Teilqualifikationen, aus denen der Arbeitnehmer selbstverantwortlich auswählt, um sich in einem ständig wechselnden Markt zu behaupten: "Berufliches Lernen wird, dieser Logik folgend, immer enger an den Ort seiner Verwertung verlagert und ändert sich hierdurch ebenso rasch wie die dort herrschenden Verwertungsbedingungen. [...] Wissen bekommt dabei Priorität gegenüber Denken, Information gegenüber Bildung." (ebd.)
Wer sich dabei verspekuliert und auf die falschen Qualifikationen setzt, hat dann das Nachsehen. Deshalb, so fordert K. A. Geißler, solle die Politik "nicht ganz so unreflektiert ... von jenem einst breit anerkannten Bildungsziel Abstand nehmen, in der Berufsbildung auch jene Fähigkeiten zu entwickeln und zu stärken, die zum Widerstand gegen die Zumutungen der Arbeitswelt befähigen." (ebd.)

E. Ribolits stellt eine ähnliche Diagnose (vgl. Frankfurter Rundschau: "Wer nicht lernt, soll auch nicht essen" in: ebd.) Auf die Frage des Gesprächsführenden ob der "kreative Opportunist" gefragt sei, antwortet Ribolits: "Der Wandelbare, Anpassungsfähige, der seine Persönlichkeit den jeweiligen Erfordernissen anpasst: unmündig und intelligent zugleich. Einer, der nur gelernt hat, zu lernen, was ihm aufgetragen wird." (ebd.) - Es stellt sich die Frage, ob solcherlei Charakterlose überhaupt eine Persönlichkeit besitzen.
Auf den Einwurf des Gesprächsführenden, dass sich durch Weiterbildung die Chance ergäbe, einen besseren Job zu bekommen, antwortet Ribolits: "Für den Einzelnen kann das stimmen. Aber gesamtgesellschaftlich ändert sich nichts. [...] Es wird nämlich etwas Wesentliches ausgeblendet: Der strukturelle Wandel besteht im Kern darin, mit immer weniger Arbeitskräften auszukommen. Mit jeder neuen Technik werden Arbeitsplätze eingespart. Das ist die Logik dieses Wirtschaftssystems. Selbst wenn alle Arbeitslosen und von Arbeitslosigkeit bedrohten Beschäftigten lernen würden, was angeblich gebraucht wird, bleiben welche überzählig." (ebd.)

Die beiden Pädagogen haben somit auch mögliche Lösungsansätze aufgezeigt: einen privaten, individuellen, der letztlich Züge des Sozialdarwinismus annehmen kann oder als Alternative einen politischen, gesellschaftlichen, der keine großen individuellen Vorteile ermöglicht, aber eventuell starke gesellschaftliche Verwerfungen verhindern hilft.
Allerdings sei vor vorschnellem Optimismus bei der zweiten Wahl gewarnt: Funktionalisten weisen richtiger Weise darauf hin, dass sich die deutsche Gesellschaft in verschiedene eigenständige Bereiche differenziert hat, somit keine umfassenden Änderungen von politischen Akteuren umsetzbar sind. - Dennoch, und darin mag man eine politische Aufgabe sehen, können sie entsprechende Anstöße geben.

(Ende des Artikels)

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