(Manipulation; 10-03; S.2)
Dieses Phänomen ist durchaus nicht neu, nimmt
aber in letzter Zeit wieder überhand.
Wenn man als Regierung und Opposition aufeinander angewiesen ist,
so lassen sich nur wenige eigenständige Konzepte durchsetzen.
Also – so scheint die Überlegung vieler Politiker – muss man sich
profilieren, seinen Anteil am Konzept als das "bessere Produkt"
darstellen. Sinnfällig wird dieses Gebaren in der Beurteilung
des Kanzlers durch B. Haussmann: "Der Kanzler ist die
verkaufsgerechte Schnittmenge der statistisch erfassten Kundenwünsche."
(B. Haussmann: "Öl im Getriebe der Welt" in: Frankfurter
Rundschau Nr. 246 vom 22.10.03, S. 21)
Abgesehen von der Unhaltbarkeit eines Ansatzes,
der Politik mit Wirtschaft gleichsetzt und damit nicht berücksichtigt,
dass in der Politik im Gegensatz zur Wirtschaft allgemeine Macht-
und damit Rechtsverhältnisse festgelegt werden, hat dieses mehrere
beachtenswerte Konsequenzen.
Politik als PR-strategy
Falls, so die zweckrationale Überlegung, politische
Konzepte nicht in eineinhalb Minuten publik gemacht und diskutiert
werden können und sich der Versuch auch nicht in Wählerstimmen
auszahlt, dann kann man getrost ganz darauf verzichten.
Erfolgreich ist dann eher der Typus politischen
Verkäufers, der es schafft mit schlagzeilenträchtigen Aussagen
vom Medienbetrieb wahrgenommen zu werden. – Die Anzahl der Minuten
Sendezeit oder Zeilen eines Artikels gelten solch Verkäufern dann
als Gradmesser ihrer Wichtigkeit. Es erklärt sich so, warum bestimmte
Politiker sich gerne in Unterhaltungssendungen (er)blicken lassen,
jedoch weniger gerne sachliche Interviews geben.
Dass solche Strategien tatsächlich erfolgreich
sind, mag zwar plausibel erscheinen. Die empirische Wahlforschung
dürfte dieses jedoch in jedem Einzelfall zumindest nicht widerlegen.
Die pragmatische Maxime so handelnder Politikverkäufer scheint
allerdings zu sein: kann im Gegensatz zu langen Gesprächen mit
kompetenten Journalisten nicht schaden. (weiter
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