(Personalien; 11/12-03; S.2)
Zum Ende des Jahres musste sich die politisch
interessierte Öffentlichkeit mit drei Personalentscheidungen auseinandersetzen,
die eher den Charakter von Provinzpossen tragen. Aufgrund der
herausgehobenen Stellung von mindestens zwei der Betroffenen waren
sie jedoch mehr.
Die erste ist verbunden mit dem Hamburger Ex-Senator
R. Schill – die Regierenden des Stadtstaates heißen Senatoren.
Der Rechtspopulist hat zuletzt dafür gesorgt, dass die Regierung
des Bundeslandes sich mehr mit seiner Person und seinen Eskapaden
beschäftigen musste als dass sie ihren von den Bürgern verliehenen
Auftrag wahrnehmen konnte. Nicht nur wegen offensichtlich nicht
überbrückbarer persönlicher Differenzen zwischen Hamburgs Erstem
Bürgermeister O. v. Beust und R. Schill löste v. Beust die Regierungskoalition
seiner Partei, der CDU, mit der FDP und Schills Partei der Rechtstaatlichen
Offensive. Für den Februar sind nunmehr Neuwahlen anberaumt.
Was bleibt von dem einstmaligen Innensenator Schill? – Nun die
Hamburger Polizei sollte neue Uniformen bekommen und ein ortansässiges
Boulevardblatt hat ein paar Schlagzeilen produzieren können.
Zwei weitere Entscheidungen betreffen einen CDU-Abgeordneten
aus der hessischen Provinz (im Volksmund: Hessisch-Sibirien),
M. Hohmann, sowie einen mittlerweile entlassenen Kommandeur der
Bundeswehr. Beide machten sich die offenbar in einer sich wandelnden
deutschen Gesellschaft immer wieder auftauchende Fremdenangst
zu Nutze.
Das Üble an dieser Technik ist, dass für alle
Unwägbarkeiten und eventuellen tatsächlichen oder nur vermeintlichen
Schlechterstellungen innerhalb der Gesellschaft eine Minderheit
verantwortlich gemacht wird. Diese muss mehrere Bedingungen erfüllen:
sie muss einmal groß genug erscheinen, dass sie plausibel für
die Umbrüche verantwortlich gemacht werden kann; sie muss zudem
klein genug sein, dass möglichst niemand aus dem Bekanntenkreis
zu den Gebrandmarkten gehört. Falls die so Ausgestoßenen zudem
bereits auf eine lange Geschichte von Stigmatisierungen zurück
blicken müssen, eignen sie sich besonders als Sündenböcke.
Tatsächliche Wirkzusammenhänge, etwa über wirtschaftliche Mechanismen
oder der Entstehung von Wahrnehmungsmustern, bleiben dabei entweder
unerwähnt oder werden nach oben genannter Technik umgedeutet.
Darauf beruhte der Erfolg der Konservativen Revolution in Weimar
genauso wie die der Neuen Rechten in Europa oder den neuerdings
wohl wieder aufkommenden Bürgerwehren – militias – in den USA.
Wer diese Techniken und die Geschichte solcher
Gruppierungen näher studieren möchte, kann dieses in spezialisierten
ICH-AG; interessierten
Staatsbürgern seien zudem die lesenswerten Artikel von R. Herzinger
in der 'Zeit' empfohlen: R. Herzinger: 'Raunen, Angst und Hass'
in: Die Zeit Nr. 47 vom 13.11.03 sowie R. Herzinger: 'Lauter Heulsusen'
in: Die Zeit Nr. 48 vom 20.11.03.
(Ende des Artikels)