(Demut, Respekt und Mut; 01-02; S.3)
Die Aufgaben der Charakterbildung und der Anregung zur Bildung
kognitiver Strukturen teilt man den Grund- und Vorschulpädagogen
zu. Das ist entwicklungspsychologisch wohl korrekt und begrüßenswert.
- Deshalb setzt die Forderung nach weiterem Ausbau der Lehrpläne
in Richtung prüfbarer Wissensbestände schon in der Primarstufe
auch am falschen Ende an. Die alternative Konzentration auf einen
zu lehrenden Tugendkatalog wäre aber mindestens problematisch,
da nicht abschließend festgelegt werden kann was er beinhalten
soll: Wer legt mit welcher Berechtigung und welchen Begründungen
welche Inhalte fest und wie verbindlich sind diese?
Allenfalls wäre die Anregung zu einer bestimmten Haltung als
Vorstufe einer charakterlichen Prägung zu erwägen. Kennzeichen
dieser Haltung könnten sein Demut gegenüber der Existenz von Überindividuellem
- ethisch begründeter Normen oder religiöser Gebote -, Respekt
vor der Individualität als Akzeptieren der Gleichwertigkeit von
Anderem sowie Mut zur Findung eigener Standpunkte gegenüber (falschen)
Autoritäten. Dies könnte die Bildung mündiger Individuen fördern
und somit der Gesellschaft langfristig nützen. Jedenfalls war
sogar Adam Smith, meist bekannnt als Begründer liberaler Wirtschaftsvorstellungen,
zunächst Moralphilosoph, d.h. seine ökonomischen Vorstellungen
fußten auf der Annahme moralisch handelnder Individuen.
(Ende des Artikels)