(Epochentragik; 05-02; S.3)
Erklärungen
Das funktionalistische - auf den Soziologen
Talcott Parsons zurück gehende - Schema der gesellschaftlichen
Teilsysteme anwendend, lassen sich folgende Erklärungsmuster unterscheiden:
• das wirtschaftliche System erbringt die Versorgungsleistungen
nicht mehr,
• das politische System erbringt die Steuerungsleistungen nicht
mehr,
• das sozio-kulturelle System erbringt die Integrations- und Sinnvermittlungsleistungen
nicht mehr,
die eine Gesellschaft jeweils erwartet.
Gemeinsam ist dieser Unterteilung das Nicht-Übereinstimmen
von Gewolltem und Erbrachtem. Ob eine solche Differenz als "Krise"
des jeweiligen Teilsystems wahrgenommen im Sinne sowohl von registriert
als auch interpretiert wird, hängt wiederum von zweierlei Faktoren
ab. Zum einen von den jeweiligen Strukturen - Funktionsmechanismen
-, zum anderen von den individuellen Handelnden. Damit ist ebenfalls
gesagt, dass Strukturen allein nicht mechanistisch zu einem bestimmtem
Erbrachtem führen, andererseits Individuen nicht frei etwas Gewünschtes
durchsetzen können.
Des weiteren müssten sich Krisen innerhalb eines Teilsystems -
wiederum - nach beobachtbaren Funktionsweisen und aufgrund je
individueller Handlungen auf andere Teilsysteme ausbreiten bzw.
dort auf Resonanz stoßen und sich gegenseitig verstärken; erst
dann könnte man von einer Krise des Gesamtsystems "Gesellschaft"
reden. Die Stärke eines gesellschaftlichen Gesamtsystems liegt
demnach in seiner effektiven Anpassungsfähigkeit, eben der Autopoiesis.
Vergleicht man dieses funktionalistische Modell
mit modischen Untergangsbeschwörungen oder pseudo-materialistischen
Konstrukten, so zeigt sich der damit einher gehende Erkenntnisgewinn:
es können Bedingungen zumindest formuliert werden, die sonst nicht
beachtet oder ungeprüft unterstellt werden. Anders ausgedrückt:
epochentragische Untergangsphantasmen oder wirtschaftsstrukturelle
Dogmatiken beruhen auf einem behebbaren Erkenntnisdefizit.
Wendet man zudem ideenkritische Erklärungsmuster
an, so lässt sich heraus finden, ob die genannten Merkmale der
Epochentragik und Krisenbehauptung in einer geschichtlichen Kontinuität
stehen. Und, spezifisch politikwissenschaftlich, wem sie jeweils
nutzen bzw. wer sich jeweils Nutzen davon erhofft. Argumentationen
und somit Handlungen der Kommunikation werden also als potentiell
manipulativ erkennbar und aus ethischer Perspektive bewertbar.
(Ende des Artikels)