(Politische Bildung; 02-02; S.3)
An dieser Stelle soll kurz auf ein heute wieder genanntes Argument
zur Wehrform eingegangen werden. Es wird behauptet, man brauche
eine Armee von Wehrpflichtigen, um die Kongruenz von demokratischer
Gesellschaft und Militär zu gewährleisten. Für von Baudissin war
dies in den fünfziger Jahren ein entscheidendes Argument gegen
die Konzeption der Bundeswehr als Berufsarmee. Angesichts der
damals allzu frischen Wehrmachts- und Reichswehrvergangenheit
erscheint das Argument für jene Zeit plausibel. Es hieße jedoch,
zumindest implizit den Fortbestand nicht-demokratischer Einstellungen
in der Bundeswehr über fast fünfzig Jahre zu behaupten – und damit
die Machtlosigkeit der politischen Führung dagegen –, hielte man
dieses Argument für der heutigen Situation angemessen. Zudem mag
die Wehrform einer Armee von Dienstverpflichteten zwar eine höhere
Durchlässigkeit hinsichtlich ziviler und soldatischer Einstellungen
mit sich bringen. Damit ist aber noch nichts über deren jeweilige
demokratische Qualitäten gesagt.
Veränderungen ab 1970
Erst zu Beginn der siebziger Jahre fand eine Debatte und schließliche
Neukonzeption der Offiziersausbildung in der Bundeswehr statt.
Drei Faktoren haben dazu beigetragen: fehlender Nachwuchs, neue
soziologische Erkenntnisse zum Soldatenberuf und eine offenbar
Neuerungen nicht abgeneigte sozial-liberale Koalition.
So wurde der funktionsnotwendige Bedarf an Offiziersbewerbern
in den Jahren 1969/70 nur zur Hälfte gedeckt. Ausgehend von Erkenntnissen
des amerikanischen Militärsoziologen Martin Janowitz diskutierten
deutsche Sozialwissenschaftler wie Thomas Ellwein und Ralf Zoll
zudem eine Neuorientierung der Offiziersausbildung. Janowitz hatte
festgestellt, dass Organisations- und Entscheidungsprozesse in
zivilen und militärischen Organisationen sich ähneln. Man folgerte
daraus zum einen die Notwendigkeit der Angleichung militärischer
an die zivile Ausbildung. Zum anderen versprach man sich durch
diese Steigerung der Kompatibilität eine Erhöhung der Attraktivität
der – im Rahmen der Wehrpflichtarmee – hauptsächlich zeitweiligen
Offizierstätigkeit.
Im Zuge der Umsetzung der Reformideen wurden unter anderem 1973
die Bundeswehruniversitäten Hamburg und München gegründet, an
denen zunächst insbesondere ein dreijähriges pädagogisches oder
sozialwissenschaftliches Studium absolviert werden konnte.
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