(Soziale Gerechtigkeit; 04-02; S.4)
Die erste für die katholische Soziallehre relevante
stammt von Papst Leo XIII. aus dem Jahr 1891(vgl. zum Folgenden:
Papst Leo XIII.: Enzyklika Rerum
Novarum, 1891). In ihr griff der Papst auf ältere Vorstellungen
- aristotelische und auch explizit die des heiligen Thomas von
Aquin - zurück.
So galt ihm der Gegensatz von Kapitaleignern und Arbeitnehmern
als künstlich, nicht menschengemäß. Besitz war demnach zwar ein
Natur-, allerdings nur ein Nutzungsrecht. Besitzende hatten daher
die nicht legalistisch, sondern allein religiös begründete Pflicht,
diesen zum Gemeinwohl einzusetzen. Arme hatten demnach nicht das
Recht, gegen das Besitzrecht anzugehen; umfassende Enteignungen
wären also nicht zulässig gewesen.
Der Staat wurde zwar in seinem Machtanspruch beschränkt, im Gegensatz
zu den vorgestellten protestantischen Forderungen jedoch nicht
allein als liberaler "Nachtwächter" gesehen. Darüber
hinaus wurde er damit beauftragt, die natürliche harmonische Ordnung
und die Ausrichtung auf das Gemeinwohl auch durchzusetzen. Im
29. Abschnitt der Enzyklika findet sich: "Nur soweit es zur
Hebung des Übels und zur Entfernung der Gefahr nötig ist, nicht
aber weiter, dürfen die staatlichen Maßnahmen in die Verhältnisse
der Bürger eingreifen." - Der Leitspruch der sozialen Marktwirtschaft,
"soviel Markt wie möglich, soviel Staat wie nötig",
schien so bereits vorgezeichnet.
Des Weiteren waren Arbeitnehmer aufgefordert, Vereinigungen -
z.B. christliche Gewerkschaften - zu bilden, um ihre Interessen
besser zu vertreten; nicht-kirchliche Wohlfahrtsorganisationen
wurden nicht rundweg abgelehnt; ihnen fehlte nach Leo XIII. jedoch
der "himmlische Schwung" (ebd. 24. Abschnitt), d.h.
in der Tradition der Lehre wurde die Kirche als autoritative Mittlerinstanz
zwischen Gott und den Gläubigen gesehen.
Der jetzige Papst Johannes Paul II. knüpfte
in seiner Enzyklika "Laborem exercens" von 1981 explizit
an die Leo XIII. an (vgl. zum Folgenden: Papst Johannes Paul II.:
Enzyklika Laborem
exercens).
Als neues Element nannte er den Vorrang der Arbeit im Hinblick
auf das Kapital. So findet sich im 12. Abschnitt des Rundschreibens:
"Dieses gigantische und mächtige Werkzeug - die Gesamtheit
der Produktionsmittel, die in gewissem Sinne mit dem 'Kapital'
gleichgesetzt werden - ist Frucht der menschlichen Arbeit und
trägt deren Zeichen." Daher ist es nach römisch-katholischer
Lehre nicht angemessen, von einem Gegensatz zwischen Arbeit und
Kapital zu sprechen.
Der "Irrtum des Ökonomismus" (ebd., 13. Abschnitt) beruht
demnach darauf, insbesondere Arbeit allein nach ihrem wirtschaftlichen
Wert zu beurteilen, sie also nur als einen Produktionsfaktor zu
sehen. Der "Irrtum des Materialismus" (ebd.) besteht
hingegen darin, dass der Mensch nicht hauptsächlich als Subjekt
der Arbeit und als den Produktionsprozess erst hervorbringend
gesehen wird, sondern als abhängig von Produktionsverhältnissen.
Kapital - so lässt sich abschließend feststellen - ist damit nurmehr
das Instrument, mit dessen Hilfe Arbeit bewerkstelligt werden
kann. (weiter geht's hier)